Wie wirkt eigentlich... Eibe?

Mit Ausnahme des roten Mantels um ihre Samen ist jeder Teil der pazifischen Eibe giftig für Menschen. Glücklicherweise muss man dazu sagen. Michaux, François André; Nuttall, Thomas; Smith, J. Jay


Wieso? Weil der giftige Inhaltsstoff Paclitaxel eine sehr wirksames Krebsmedikament ist. Manchmal meint Mutter Natur es eben gut mit uns. Beim nächsten Mal wäre es vielleicht nur gut sowas gleich in Gras oder etwas ähnlich häufigem zu stecken. Denn die pazifische Eibe ist leider vom Aussterben bedroht und war das auch schon bei der Entdeckung von Paclitaxel. Für die Gewinnung von genug Paclitaxel für einen einzigen Patienten bräuchte man die Rinde von 6 Bäumen. Das wäre selbst dann exzessiv, wenn der Baum die Prozedur überleben würde. Tut er aber nicht und noch dazu wachsen Eiben nur seeeeeehr langsam.

Also war eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Nutzung von Paclitaxel bei Krebspatienten, dass eine alternative Methode der Herstellung gefunden wurde. Nur ist Paclitaxel keine schön übersichtliche Salicylsäure, die sich verhältnismäßig einfach im Labor nachkochen lässt. Paclitaxel ist eher ein kleines Monster. So mal als Vergleich: Rechts Salicylsäure, der Vorläufer des Aspirins, Links Paclitaxel.


Was tun?

Es trotzdem versuchen. Die Komplettsynthese wurde jedoch nie wirklich als sinnvolle Alternative gesehen. Zwar können wir mittlerweile Paclitaxel aus sehr simplen Molekülen herstellen, aber es ist viel günstiger einfach einen ähnlichen Stoff zu nehmen und ein bisschen damit im Labor rumzuspielen.

Auftritt: Taxus baccata, die europäische Eibe.

Wesentlich häufiger als ihre pazifische Verwandte und aus ihren Nadeln lässt sich ein Vorläuferstoff von Paclitaxel gewinnen. Die Nadeln wirft der Baum nach einigen Jahren sowieso ab und erneuert sie, man muss dafür also keine Bäume töten. Und der Stoff (Baccatin III) ist dem Paclitaxel ähnlich genug, dass die weitere Herstellung sehr große Ausbeuten hat. Also: Baum gerettet und trotzdem noch ein Krebsmedikament. Das sogar noch günstiger in der Herstellung wurde, weil die Wirkstoffherstellung schneller und einfacher wurde.

Also kleinen Bonus hat man auch noch weitere Krebsmedikamente entdeckt, die sich ebenfalls aus diesem Vorläuferstoff herstellen lassen. Zusammen werden sie als Taxane bezeichnet, neben Paclitaxel werden noch Docetaxel und Cabazitaxel verwendet.

Doch wie wirken diese Stoffe?

Kurzer Sprung in den Bio-Unterricht, Thema Zellteilung. Wer sich noch gut an das Thema erinnern kann darf gerne die nächsten beiden Absätze überspringen. Wer geschlafen hat oder bei wem die Schulzeit vielleicht schon die eine oder andere Dekade länger her ist, darf gerne für einen kleinen Refresher bleiben:

Menschliche Zellen teilen sich mittels eines Vorgangs der Mitose heißt, sie haben einen Zellkern und allerlei Zellorganellen. Im Zellkern ist die DNA und damit die Erbinformation gespeichert. In der Phase zwischen zwei Mitosen wird die DNA im Zellkern verdoppelt, die zueinander gehörenden Chromosomen bilden dabei Chromatidenpaare. Zu Beginn der eigentlichen Mitose werden zunächst die einzelnen Chromosomen durch Kondensation sichtbar und die die Hülle des Zellkerns löst sich auf. Außerdem bildet sich der Spindelapparat aus Mikrotubuli.

Dieser Spindelapparat heftet sich dann an die Chromatidenpaare und zieht diese auseinander, sodass auf jeder Seite der Zelle ein (idealerweise) vollständiger Satz Chromosomen ist. Zu guter Letzt bildet sich noch eine neue Kernhülle und die Zelle spaltet sich in zwei identische Tochterzellen.

Taxane greifen die Mikrotubuli an. Genauer gesagt sorgen sie dafür, dass diese nicht mehr abgebaut werden können. Damit sich die Chromosomen im Laufe der Mitose aber auf die beiden Zellseiten verteilen und sich die Zelle teilt, müssen die Mikrotubuli abgebaut werden. Die Zelle bleibt also in der Teilung stecken und stirbt irgendwann ab.

Woher wissen die Taxane aber, dass sie es mit einer Krebszelle zu tun haben?

Wissen sie nicht. Sie greifen einfach alle sich teilenden Zellen an. Aber genau damit nutzen sie eine Haupteigenschaft von Krebszellen aus: Krebszellen teilen sich schneller als gesunde Zellen. Von Stoffen, die in die Zellteilung pfuschen, sind sie wesentlich stärker betroffen. Natürlich gibt es auch Kollateralschäden. Im Fall von Krebsmedikamenten nennt man das dann Nebenwirkung. Haarausfall gehört dazu oder auch Blutarmut. Auch die Übelkeit und der Durchfall kommen davon.

Wenn man einmal weiß wie ein Medikament wirkt, kann man sich auch viele der Nebenwirkungen erklären.

Um wieder zurück zum Anfang zu kommen:

Glücklicherweise sind Eiben giftig!


Hintergrundbild Header: Jason Hollinger, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

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