Vor einiger Zeit schwappte mal wieder eine Welle von "Das hat mir aber nie jemand gesagt" durch meine Social Media Timelines. Warum? Weil eine Arbeitsgruppe des britischen Frauenarzt-Berufsverbands eine Pressemitteilung über ihre neuen Richtlinien betreffend der Pille (und anderer hormonelle Kontrazeptiva d.h. Pflaster, vaginaler Ring) rausgegeben hat. Und da steht gleich an erster Stelle folgender Satz:
Zitat
"The updated FSRH guideline highlights that there is no health benefit from the seven-day hormone-free interval"
Die üblichen sieben Tage Pillenpause haben keinen gesundheitlichen Vorteil.
Der Medienzirkus hat das natürlich auch mitbekommen und daraus dann Schlagzeilen wie "Der Papst ist der Grund, warum du die Pille bisher nicht durchgängig nehmen solltest" (Ze.tt) oder "Bluten für den Papst?"(hpd- Humanistischer Pressedienst) gemacht.
Was der Papst damit zu tun hat? Fragt nicht, ich empfehle da einen Artikel von Alice Howarth im Guardian: "Medical advice on the pill was wrong for 60 years. How convenient to blame the pope"
Auf jeden Fall, hat es mich mal wieder zum Nachdenken gebracht, wie wenig viele doch über die Pille wissen. Millionen Menschen nehme täglich diese kleine Tablette ein und die wenigsten wissen, wie sie überhaupt wirkt.
Also, bereit für Dr. Sommer in pharmakologisch?
Was ist da drin?
In der Mikropille (die gängigste Variante) ist ein Östrogen (DAS weibliche Sexualhormon aus dem Biounterricht) und ein Gestagen (sozusagen das Schwangerschaftshormon) drin. In der Minipille nur ein Gestagen. Als Östrogen wird heute eigentlich immer das künstlich hergestellte Ethinylestradiol benutzt, da es gut vom Körper über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen wird und auch nicht allzu schnell wieder abgebaut wird. Gestagene dagegen gibt es eine ganze Menge. Sie haben alle leicht unterschiedliche Wirkungen, weshalb es sich auch lohnt verschiedenen Pillen durchzuprobieren.
Außerdem wird noch in Ein-, Zwei- und Dreiphasen-Präparate unterschieden. Bei letzteren beiden ändert sich die enthaltene Hormondosis während eines Zyklus und imitiert so (etwas) den natürlichen Hormonzyklus.
Und wie wirkt das jetzt?
Die Mikropille wirkt gleich auf mehrere Arten. Kurz gefasst: Sie imitiert quasi eine Schwangerschaft.
Langfassung: Der Eisprung wird unterdrückt, die Schleimhaut in der Gebärmutter baut sich nicht so stark auf wodurch sich eine befruchtete Eizelle nicht einnisten könnte und außerdem wird der Schleim um den Muttermund zäher wodurch Spermien nicht zur Eizelle kommen. Frei nach dem Motto: Doppelt und Dreifach hält besser.
Die Minipille hemmt den Eisprung dagegen nicht sondern erhöht nur die Zähigkeit des Schleims, wobei neuere Minipillen auch den Eisprung verhindern können. Warum? Weil wie oben gesagt, die synthetischen Gestagene alle etwas anders wirken. Das neuere Desogestrel verhindert eben auch den Eisprung, Levonorgestrel (was in den älteren Minipillen enthalten ist) dagegen nicht.
Wichtig ist immer im Hinterkopf zu haben: Die Einnahme von Hormonen greift massiv in die Vorgänge im Körper ein. Und tut es bei der Antibabypille auch noch in einen Teil des Körpers, der (üblicherweise) gesund ist und gar kein Eingreifen benötigt. Es ist also kein Wunder, dass die Pille Nebenwirkungen hat. Eigentlich ist es schon fast eines, dass sie nicht mehr davon hat.
Die Pille spielt dem Körper eine Schwangerschaft vor, dementsprechend sind auch viele der Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, erhöhter Blutdruck, Spannungsgefühl in der Brust... Alles Sachen, die auch in der Schwangerschaft auftreten können.
Am Bekanntesten ist wohl das erhöhte Thromboserisiko, allerdings schwankt dieses mit dem Gestagen. Einige Gestagene (z.B. Desogestrel) erhöhen das Risiko stärker als andere, wobei auch dann andere Risikofaktoren wie Rauchen immer noch eine große Rolle spielen. Bevor man also panisch die Pille absetzt sollte man aufhören zu rauchen.
Das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) hat vor gar nicht so langer Zeit einen rote Hand-Brief (eine Warnung zu einem bestimmten Arzneimittel) über das erhöhte Selbstmorsrisiko unter hormonellen Kontrazeptiva rausgebracht. (Ich muss da allerdings den Fachverbänden zustimmen: Die Studienlage ist nicht so wirklich einwandfrei, eine Korrelation ist keine Kausalität. Nur weil etwas gleichzeitig auftritt, muss es einander nicht bedingen.) Dass Depressionen mit der Pille im Zusammenhang stehen können, ist schon länger bekannt, aber nicht in diesem Ausmaß.
Andererseits kann die Pille aber auch viele Vorteile haben: Grade im Langzyklus (d.h. wenn man keine Pausen macht zwischen den Packungen) erspart sie vielen Menschen starke Blutungen und Schmerzen. Generell sind Abbruchblutungen meistens leichter als normale Regelblutungen.
Sie macht uns auch freier, da sie eine (bei idealer Anwendung) sehr sichere Verhütungsmethode ist. Und eine Methode, die komplett von der Person kontrolliert werden kann, die von einer Schwangerschaft am Meisten betroffen wäre.
Wann wirkt die Pille nicht?
Häufiger als man denkt. Die ideale Anwendung ist nur ein Ideal, bei typischer Anwendung ist die Pille zwar immer noch sicher, aber nicht mehr super sicher. Wobei wir hier immer noch über den Bereich bis eine Schwangerschaft im Jahr unter 1000 Menschen, die die Pille nehmen sprechen.
Die Pille wird nur sehr langsam verstoffwechselt und wird sehr lange immer zwischen Darm und Leber hin und her gereicht, bis sie endgültig verstoffwechselt ist. Deswegen wirkt sie auch in den 7 Tagen Pillenpause. Durchfall oder auch Erbrechen kann dieses Hin- und Her aber unterbrechen und so die Wirkung abschwächen oder sogar ganz aufheben, je nach Zeitpunkt und Stärke. Einige Antibiotika (z.B. Amoxicillin) stören an dieser Stelle ebenfalls, deswegen ist es auch wichtig immer nochmal in der Apotheke (oder gleich beim Arzt) nachzufragen wie es da aussieht.
Eine andere Sache, die die Wirksamkeit der Pille beeinflusst sind Stoffe, die ihren Abbau beschleunigen. Erinnert ihr euch: Die Pille wird sehr langsam verstoffwechselt, baut quasi eine Art Depot im Körper auf. Jetzt stellt euch vor, plötzlich geht das alles viel schneller. Das Depot ist da schnell weg und damit auch die Wirksamkeit für die diese gleichmäßigen Hormonlevel wichtig sind.
Was sind das für Stoffe? Johanniskraut zum Beispiel. Oder einige Antiepileptika. Das Zauberwort lautet CYP3A4 und löst bei Pharmaziestudenten (und Apothekern) quasi Instant-Kopfschmerzen aus. Wichtig ist: Das Problem sind die Induktoren dieses Enzyms d.h. Stoffe, die das Enzym beschleunigen, z.B. eben Johanniskraut.
Hemmstoffe des Enzyms (z.B. Grapefruit) sorgen dagegen für höhere Hormonlevel, was zwar mehr Nebenwirkungen bedeutet, aber nicht dazu führt, dass man plötzlich ein Kinderbett braucht.
Und die Pille danach?
Wirkt quasi genauso. Sie verhindert (je nach Wirkstoff etwas unterschiedlich) den Eisprung, hat der einmal stattgefunden kann sie aber auch nichts mehr retten. Deswegen ist es immer wichtig sie so schnell wie möglich zu nehmen, auch wenn man sie theoretisch auch noch Tage später nehmen kann. (Übrigens: In Deutschland unterliegt die Pille danach nicht mehr der Verschreibungspflicht, in der Apotheke stellt man euch zwar ein paar mehr Fragen als beim Kauf einer Packung Kopfschmerztabletten, aber ein Rezept braucht man nicht. Und auch Apotheken haben Notdienste.)
Alle Klarheiten beseitigt? Gibt es etwas, was ihr schon immer über die Pille wissen wolltet?
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