Warum ein CE-Zeichen?

Habt ihr grade eine Packung Halsschmerztabletten zu Hand? Welche, die weder desinfizieren noch betäuben? Die einfach den Hals beruhigen, wenn man z.B. zu viel gesungen und gesprochen hat? Die Werbung mit so Dingen wie „Hydrogel-Komplex“ oder einem „Schutzfilm für die Schleimhäute“ machen?

Ja? Super. Dreht mal die Faltschachtel ein bisschen hin und her. Betrachtet sie von allen Seiten. Seht ihr das CE-Kennzeichen?

Und jetzt nehmt mal eine Packung vom Schmerzmittel eures Vertrauens in die Hand. (Wenn ihr ganz pingelig beim Vergleich sein wollt: Bitte eins das nicht verschreibungspflichtig ist…) Dreht die Faltschachtel ebenfalls ein bisschen hin und her. Hier werdet ihr kein CE-Kennzeichen finden.


Also hoffentlich. CE-Kennzeichen tragen nämlich im Pharmabereich nur Medizinprodukte. Und die wirken per Definition nur physikalisch. Wenn euer Schmerzmittel also ein Hammer ist, wäre so ein CE-Kennzeichen also angebracht. Aber so ein Hammer hat auf Dauer keine besonders nachhaltige Wirkung und sorgt für zusätzliche Kopfschmerzen (aber yay, falls ihr vorher keine Kopfschmerzen hattet merkt ihr die anderen Schmerzen jetzt nicht mehr. Unser Körper kann nur einen Schmerzreiz zur Zeit verarbeiten.) Deswegen hat euer Schmerzmittel also hoffentlich kein CE-Kennzeichen.

Von rein physikalischer Wirkung

Jetzt fragt ihr euch wahrscheinlich, warum denn jetzt die Halsschmerztabletten ein CE-Kennzeichen haben. Die wirken doch! So richtig!

Das stimmt auch. Es gibt auch Halsschmerztabletten, die ganz „normale“ Arzneimittel sind. Deswegen sollten es im Beispiel oben unbedingt auch welche sein, die weder desinfizierend wirken noch betäuben. Diese Halsschmerztabletten sind nämlich Arzneimittel. Sie interagieren direkt mit unseren Körperzellen. Und haben kein CE-Kennzeichen sondern eine Zulassungs- oder Registrierungsnummer.

Aber neben diesen gibt es auch noch eine andere Art Halsschmerztabletten. Die oft in Richtung von Sängern und beruflichen Vielsprechern o.ä. vermarktet werden. Das sind Lutschtabletten die im Mund eine Art Film bilden. Dieser ist ein Schutz für unsere Schleimhäute und fühlt sich bei einem gereizten Hals einfach absolut geil an. So richtig absolut geil. Nur „leider“ wirkt es halt nicht direkt auf unsere Zellen sondern halt eher „obendrauf“. Also kein Arzneimittel sondern „nur“ Medizinprodukt.


Ein anderes Beispiel sind viele der Läuse-Shampoos. Die enthalten meistens ein Öl, dass die Atemöffnung der Läuse verstopft, aber sonst nichts macht. Das fällt dann auch unter „rein physikalische Wirkung“.

Oder Meerwasser-Nasensprays, das Befeuchten der Nasenschleimhäute ist nämlich auch wieder sowas „physikalisches“.

Ah ja, ein Medizinprodukt also...

Die Kategorie „Medizinprodukt“ wurde ursprünglich eigentlich für so Sachen wie Prothesen, medizinische Instrumente, Schwangerschaftstests und Kondome geschaffen. Die Covid-19-Schnelltests sind z.B. Medizinprodukte. Aber es gibt halt auch die„stofflichen Medizinprodukte“, (die Anderen sind dann wohl „nicht-stofflich“ und damit nicht-existent…hmm…Das wäre irgendwie ungünstig xD) Stoffliche Medizinprodukte sehen auf den ersten Blick aus wie Arzneimittel und präsentieren sich auch so. Aber sie sind es halt nicht und werden auch nicht ganz so stark reguliert.

In Deutschland dürfen stoffliche Medizinprodukte z.B. in Apotheken in der Freiwahl stehen. Das ist der Bereich in dem man als Kunde „frei“ zugreifen kann und nicht erst einen Mitarbeiter darum bitten muss. Apothekenpflichte Arzneimittel müssen dagegen außerhalb der Reichweite von Kunden stehen, ergo hinter dem Tresen oder sogar ganz außer Sicht (wie im Fall von verschreibungspflichtigen Dingen).

Stoffliche Medizinprodukte sind so ein bisschen ein spezieller Fall. Ein Sonderfall von Sonderfällen. Der regelmäßig auch zu Gerichtsverfahren führt. Denn ob ein Stoff als Arzneimittel oder als Medizinprodukt kontrolliert wird ist ein riesiger Unterschied. Eine neue europäische Richtlinie sorgt zwar dafür, dass die Zeiten des „Ich prüfe mein Medizinprodukt selbst“ endgültig vorbei sind, aber trotzdem würde ich behaupten, dass die Anforderungen an die Dokumentation nicht ganz so strikt sind. Einfach weil die Risiken überschaubarer sind, wenn etwas nicht auf ganz so direkter Art und Weise an unserem Körper wirkt. Und man ist nicht an Apotheken gebunden beim Verkauf, überhaupt funktioniert die ganze Werbungssache anders. Viele Vorteile also für den Hersteller.

Aber warum jetzt Gerichtsverfahren? Weil sich Behörden und pharmazeutische Industrie halt nicht immer einig sind, ob etwas jetzt ein Medizinprodukt oder ein Arzneimittel ist. Bei einem Kondom ist das eindeutig. Bei einem Brustimplantat auch. Aber bei stofflichen Medizinprodukten? Da kann man schon drüber streiten.

Eine Kochsalz-Spüllösung ist ein stoffliches Medizinprodukt, eine Kochsalz-Infusionslösung ein Arzneimittel.

Es gibt Dexpanthenol in Nasensprays als Medizinprodukt. Oder in Cremes zur Wundversorgung als Arzneimittel. (Und als Kosmetikum geht es teilweise auch noch durch…)

Also gar nicht so einfach alles.

Aber wenn euch mal bei einem vermeidlichen Arzneimittel ein CE-Zeichen begegnet, wisst ihr jetzt, dass das ein Medizinprodukt ist. Nicht weniger wirksam, aber halt anders.


PS:

Und weil ihr die Packung Halsschmerztabletten und die mit den Schmerztabletten jetzt grade neben euch liegen habt: Schaut doch gleich mal aufs Verfallsdatum und bereinigt eure Hausapotheke ? Nachkaufen aber nicht vergessen, grade Schmerztabletten braucht man immer dann, wenn die Packung grade leer ist xD


Hintergrundbild des Titelbilds von Anna Shvets über Pexels

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